Im vergangenen Jahrhundert waren Hochschulen in privater Trägerschaft noch Ausnahmeerscheinungen auf dem deutschen Hochschulmarkt. Witten/Herdecke war 1982 sicherlich eine der ersten prominenten privaten Universitäten mit staatlicher Anerkennung. Zu deren Privileg gehört die Vergabe akademischer Grade, aber auch die Verpflichtung zur Eigenfinanzierung. Schon bald war klar, dass man allein über staatliche Zuschüsse sich nicht finanzieren würde können; Drittmittel und privates Kapital mussten eingeworben werden.

Das Geschäftsmodell
Obschon gerade das Modell Witten/Herdecke als Beispiel dafür dienen kann, dass das Geschäftsmodell private Hochschule schwierig ist – Herdecke ist seither ständig mit dem Thema „mangelnde Ressourcen“ in der Presse – boten sich dennoch alsbald Investoren, Stifter und Geldgeber an. Privatkapital hatte, für die Republik ein Novum, von nun an mitbestimmend und unter dem Gesichtspunkt des Eigeninteresses Eingang in den Elfenbeinturm gefunden. Ökonomisch formuliert: Die Subsumption der Hochschule unter das Kapitalverwertungsinteresse nahm direktere und unmittelbarere Formen an.
Mittlerweile, nachdem es unter dem Motto „Wir brauchen ein deutsches Harvard“ weitere „Leuchttürme“ privater Hochschulgründungen gegeben hat (vgl. Liste auf Wikipedia), scheinen diese Leuchttürme doch stark im Nebel zu liegen. Seriöse Autoren meinen gar, vom Leuchten sei nur noch ein Glimmen erkennbar: „Elitenkollaps – private Unis im freien Fall“ überschreibt das Manager Magazin den Abgesang auf den Versuch eines Imitats der angelsächsischen Hochschullandschaft (de Souza Soares 2014).
Auch unterhalb dieser Prestigeebene spielt sich im Bereich des Geschäftsmodells private Hochschule Bemerkenswertes ab: auf Höhe der staatlichen Fachhochschulen, die sich Ende der 1970er Jahre in der Aufbauphase befanden, haben sich im Gefolge von Bologna und dem Rückzug des Staates aus vielen Bereichen der Bildung viele kleinere private Hochschulen gegründet: 135 laut Statistischem Bundesamt.
Qualifikation für Waschmitteltechnologie
Diese Hochschulen verleihen ebenso wie staatliche Einrichtungen akademische Grade und sind vielfach in noch größerer finanzieller Not als die oben zitierten „Leuchttürme“; sie akquirieren einerseits auf dem studentischen Markt mit den (unseriösesten) Versprechen über Jobaussichten, Karrieren und Aufstieg („Vor den Tücken des Alltags können wir euch nicht bewahren – dafür kümmern wir uns um eure Karriere“, ISM Dortmund). Andererseits müssen sie mit ihren Angeboten an die Budgets der Unternehmen heran, die schließlich – berufsbegleitend oder dual – die Studenten finanzieren sollen. Dafür liefern sie im Gegenzug: Studiengänge, Aufgabenprogramme und Curricula, die, wenn auch mitunter nicht exakt, das spiegeln, was in den Stellenprofilen der jeweiligen Unternehmen gefordert wird.
Tatsache ist, wir bilden keine Köche mehr aus, sondern nur noch den Koch für Gemüseaufläufe und ganz, ganz dünne Suppen.

Neuss verpflichtet sich zu einer
akademischen Lehre, die eng an
den Erfordernissen der Unternehmens-
praxis orientiert ist.“
Was euphemistisch als „Qualifikation für den Arbeitsmarkt“ bezeichnet wird, ist in Wahrheit die Qualifizierung für eine bestimmte Branche oder gar für ein bestimmtes Unternehmen, mitunter jenes, das an den Studiengängen mitgeschrieben hat. Diese Hochschulen sind zur verlängerten Werkbank der Personalentwicklungsabteilung der Unternehmen verkommen. Inhaltlich geht es um die positivistische Vermittlung anwendungs- und handlungsbezogenen Wissens sowie um die Einübung von Kulturtechniken. An der Hochschule OWL gibt es beispielsweise den Studiengang „Technologie der Kosmetika und Waschmittel“. Es darf geraten werden, welches Unternehmen hinter dieser akademischen Ausbildung stecken mag… Insofern wird auf diesem Hochschulniveau die restlose „Vertreibung aus dem Elfenbeinturm“ (Beck 1980) nur noch von den einschlägigen Interessengruppen bestritten. Tatsache ist, wir bilden keine Köche mehr aus, sondern nur noch den Koch für Gemüseaufläufe und ganz, ganz dünne Suppen.
Das hohe Sozialprestige, das der Universität in unserer traditionsbeladenen deutschen Bildungskultur beiwohnt, wird von diesen Hochschulen genutzt, um ihr Geschäftsmodell zu transportieren: als Vermarktungsstrategie, die mit dem Attribut „wissenschaftlich“ nicht spart und deren Beitrag zur Verdummung der Öffentlichkeit nicht unterschätzt werden sollte.
Prof. Unternehmensberater
Zu den eher kulturellen und sozialen Indikatoren dieses Prozesses gehörte es, dass die Professoren der staatlichen Hochschulen, insbesondere die an traditionellen Universitäten, sich verwundert die Augen rieben; hatten sie doch plötzlich eine Flut „anderer“ akademischer Kollegen neben sich: Professoren, die aus der sogenannten Praxis kamen und nun als Haupt- oder nebenamtliche Dozenten, die durch den jeweiligen Wissenschaftsminister erteilte Amtsbezeichnung „Professor“ führen durften. Manche dieser Universitätsprofessoren mögen dies als kulturelle und soziale Enteignung empfunden haben und waren auch nur bedingt dadurch zu entschädigen, dass sie sich – ganz im standespolitisch korrekten Duktus des vergangenen Jahrhunderts – nunmehr die Amtsbezeichnung „Univers.-Prof.“ zulegten.
Aus dem System der Kommerzialisierung der Amtsbezeichnung wurde bisweilen eine blühende Industrie, eine Art legaler Titelhandel. Lokale und regionale Unternehmensberater bieten sich, sofern sie einschlägige Voraussetzungen erfüllen, den Hochschulen an, leisten als Lehrbeauftragte einige wenige Unterrichtsstunden und schmücken ihr privates Verkaufs- und Beratungsgeschäft mit dem Zusatz „Professor“. An der privaten Hochschule Neuss für Internationale Wirtschaft, soll man zeitweilig mehr Prof. Unternehmensberater, Prof. Rechtsanwalt, Prof. Verbandspräsident etc. als Studenten gehabt haben, weshalb die Insolvenz dieser Einrichtung auch nicht lange auf sich warten ließ.
Hatte die Studentenbewegung 1968 noch unter der Parole „Schleift den Elfenbeinturm“ die Initiative ergriffen, wurde dies in den nächsten Jahrzehnten an den staatlichen Universitäten auf „geschäftlichem“ Wege erledigt: 2013 gab es bereits mehr 1000 privat finanzierte Lehrstühle an deutschen Universitäten (Stifterverband 2013); Grundlagenforschung, die zu „marktfähigen Produkten“ führt, ist der Renner im Rahmen staatlicher Förderprogramme; der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft betreibt offensiv Lobbying gegenüber Universitäten und staatlichen Einrichtungen. Aktuell unterhält er 150 Stiftungsprofessuren, die vorwiegend in den Fächern Bio‑, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften angesiedelt sind (vgl. Tabelle).
Auch dieses System generiert kulturelle und soziale Blüten: die „abenteuerliche[…] Vergabepraxis von Honorarprofessuren“ (Horstkotte 2012) ist nur ein Indiz dafür, dass man auch von Seiten der staatlichen Universitäten bereit ist, seine Markenattribute gegen Geld zu verhökern. Das „networking university/economy“ funktioniert blendend: 2012 gab es in Deutschland bereits 1600 Honorarprofessoren, unter ihnen Josef Ackermann.

Norbert Lammert, seit 2005
Präsident des Deutschen
Bundestages, ist nicht nur
„neutrales“ Aufsichtsratsmitglied
des Energiekonzerns RAG, sondern
seit 2008 überdies Honorar-
professor der Ruhr-Universität Bochum.
Ein wenig anders verhält es sich mit dem „networking university/politics“. Hier werden die Eitelkeiten und die Karriereattribute von Politikern bedient. Die Universitäten hingegen schmücken sich gern mit publizitätswirksamen Namen, mit Politikern, die Aushängeschilder ihrer Institutionen sind. Das ist einerseits Teil der Markenbildung, andererseits aber auch Lobbying der Universitäten in Richtung staatlicher Fördergelder und Exzellenzinitiative. Dass eine solche Angelegenheit dann so übel ausgeht, wie im Falle von Frau Schavan und von Freiherr von und zu Guttenberg konnten die jeweiligen Universitäten ja nicht ahnen.
Quo vadis?
Die „Leuchttürme“ unter den privaten Hochschulen werden verglimmen, die anderen sind jetzt schon zu Berufsschulen oder Berufsakademien mutiert. Die staatlichen Universitäten hingegen sind – als quasi neoliberale Reaktion des Staates – in ein konkurrierendes Zweiklassensystem gegliedert: die Exzellenzuniversitäten oben, alle anderen unten. Während erstere sich forschend auf Wissen zur Kapitalvermehrung fokussieren dürfen, müssen letztere sich noch weiter liebesdienerisch banalisieren. In Anlehnung an Jürgen Habermas (1981) ist „die Kolonisierung der Lebenswelt“ Universität durch das große Geld in vollem Gange.
Literatur
Beck, Ulrich. 1980. „Die Vertreibung aus dem Elfenbeinturm: Anwendung soziologischen Wissens als soziale Konfliktsteuerung“. Soziale Welt 31 (4): 415–41.
de Souza Soares, Philipp Alvares, Eva Buchhorn, Michael O.R. Kröher, und Klaus Werle. 2014. „Elitenkollaps – private Unis im freien Fall“. Manager Magazin, August 18.
Habermas, Jürgen. 1981. Theorie des kommunikativen Handelns. Band II: Zur Kritik der funktionalistischen Vernunft. Bd. 2. 2 Bde. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Horstkotte, Hermann. 2012. „Honorarprofessuren: Wie Prominente zu Professoren werden“. Die Zeit, Oktober 23.
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. 2013. „Die Stifterverband-Uni“. Essen: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft.
Bildnachweis
uncode-placeholder
Rolf Taubert
Prof. Dr. Rolf Taubert (*1947) lebt und arbeitet in Bochum. Nach dem Studium der Sozialwissenschaften, Geschichte und Philosophie hat er im Bereich der Kommunikationswissenschaften promoviert. 1982 wurde Taubert auf einen Lehrstuhl an der Verwaltungshochschule des Landes Nordrhein Westfalen berufen. Daneben leitet Taubert mit zwei KollegInnen das Bochumer Institut für Management und Organisation (IMO)
Bei Norbert Lammert handelt es sich um ein gutes Beispiel für das unterschiedliche Maß, das an angehende Hochschullehrer angelegt wird. Während der übliche Bewerber in vermeintlich transparenten Verfahren langjährige Forschungserfahrung und Publikationen in „peer-reviewed-journals“ nachweisen muss, genügen bei Herrn Lammert bereits Artikel in den deutschen Printmedien (siehe Interneitseite von Norbert Lammert: http://www.norbert-lammert.de/01–lammert/publikationen.php?seite=1), um sich „Professor“ nennen zu dürfen. Derartige Ergüsse genügen im Normalfall heutzutage nicht einmal mehr, um eine Stelle als „Wissenschaftlicher Mitarbeiter“ zu besetzen. Und die Ruhr-Universität Bochum erblödet sich sogar noch, darauf hinzuweisen, dass „Lammert […] sich durch ein breites Spektrum politischer Themen in seinen Publikationen [auszeichne].“ )
Die beiden Sätze wiedersprehcn sich, oder? Hmm, gar nicht so leicht aufzulösen die Sache. Also, im ersten Satz heissts, die Privaten haben das ‚verpflichtende Privileg‘ (?) zur Eigenfinanzierung. Damit ist der inhalt des zweiten Satzes schon orweggenommen: Nämlich, dass sich die Unis nicht durch staatliche Zuschüsse finanzieren werden können. Was mir nicht in der Konstellation der beiden Sätze nicht aufgeht, ist die Zeitangabe. Die Privaten mit dem Privileg zur Eigenfinanzierung müssen ja ob des Privilegs schon gewusst haben, dass sie sich nicht durch staatliche Mittel finanzieren können werden? Oder?
P.s. Kommentar bitte nicht abdrucken;) und dafür nehm ich das Gratisabo noch nicht an;)
Ist das zynisch gemeint; oder ein Vereinnahmungsversuch der Ökonomie? Würde der heute wohl weitverbreiteste (neo)klassische Typos eines Ökonoms nicht eher sowas sagen: „Die Kapitalstruktur der Hochschule wurde erfolgreich diversifiziert. Die vielfältigen Ansichten der neu gewonnen Shareholder werden sich positiv auf die Bandbreite des von der Hochschule angebotenen Wissens niederschlagen. Der Neue Status ist Marktnäher und prinzipiell wird die Vermarktlichung zu einer besseren, nachfrageangepassteren Koordination des Bildungsangebots der Hochschule führen. Allerdings verstehen die neuen Shareholder wahrscheinlich wenig vom Betriebsablauf einer Hochschule und können diese deswegen nicht ausreichend kontrollieren. Ein Principal-Agent-Problem wird sich entwickeln…“ Ich bin mir nicht ganz sicher, ob „ökonomisch“ formuliert hier passend ist, oder doch eher „polit-ökonomisch“ treffender wäre.
Wie sehr es mich als Mediävisten freut, dass dieses (für mich erstrebenswerte) Dasein jenseits der Exzellenz im metaphorischen Gewand der Hohen Minne daherkommt. So darf ich mir wenigstens durch einen Gegenstand meines Fachs (wenn auch nicht durch das Fach selbst) versichern lassen, dass nur der unterwürfige Liebesdienst zu Ehre führen kann.
Der Artikel moniert zurecht, dass die Abhängigkeit privater Universitäten von geldgebenden Unternehmen prinzipiell problematisch ist. Die Anpassung der (Aus-)Bildungsinhalte an die Vorstellungen der Unternehmen könnte die Kritikfähigkeit abgehender Generation unterminieren. Kritsch möchte ich bemerken, dass er eigentlich kaum auf konkrete negativen Folgen der Entwicklung privater Hochschulen eingeht und die nicht gänzlich abstreitbaren Vorzüge privater Hochschulinstitutionen kaum diskutiert. Ich denke der Erfolg der privaten Hochschulen wird hier vorschnell ausschliesslich ihrem gelungen Bluff zugeschrieben.
Der Artikel zeigt nicht, ob die Ausbildung an privaten Hochschulen wirklich nicht zur kritischen Auseinandersetzung befähigt. Auch die Waschmittelindustrie wird möglicherweise Angestellte benötigen, die zur kritischen Betrachtung des Betriebskonzepts fähig sind. Der Artikel belegt nicht, ob die Versprechungen der privaten Hochschulen falsch sind, AbsolventInnen hätten gute Berufsaussichten. Durch die Nähe zur Industrie könnte sich ihr Versprechen ja stimmen. Und der Artikel lässt im unklaren, inwiefern UniversitätsprofessorInnen wirklich befähigter sind, ihrem Bildungsauftrag nachzukommen als die ProfesorInnen privater Hochschulen. Ich mag mich an so manche Universitätsvorlesung (nicht) erinnern, die von den Dozenten offensichtlich kaum vorbereitet wurden.
In der Polemik auf private Hochschulen geht unter, dass auch traditionelle Universitäten den an sie gestellten Anforderungen nicht gewachsen sind. Sie sollen gleichzeitig unabhängige Spitzenforschung in einem zunehmend kompetitiven Rahmen betreiben und den von ihnen gehorteten Wissensschatz einem möglichst breiten Publikum bereitstellen. Mit ihren begrenzten Mitteln können die Universitäten neben ihrer Forschung aber nur wenigen StudentInnen eine gute, oder vielen eine schlecht betreute Ausbildung bieten. Die Studiumsabbruchsquoten und die hohe Bildungsvererbung an deutschen Hochschulen zeigt, dass sich in diesem Spannungsfeld in der Regel nur behaupten kann, wer die Universität bereits mit entsprechenden materiellen und kulturellen Ressourcen betritt. Private Hochschulen schaffen es demgegenüber, trotz hoher Studiengebühren Bildungsabschlüsse an Universitätsferne StudentInnen aus Haushalten mit geringen Einkommen zu vermitteln (vgl. Wiarda in DIE ZEIT vom 20.10.2016).
Natürlich wird eine privatisierte Hochschullandschaft die Vermittlung von Bildung und Ausbildung nie adäquat organisieren können. Bildung gilt schliesslich sogar in neoklassischer Ökonomie zumindest als schwer privatisierbares Gut. Dennoch muss sich Unipolitik ernsthaft mit dem Zulauf auf private Bildungsinstitutionen auseinandersetzen. Man sollte ihn nicht vorschnell nur einem gelungenen Bluff zuschreiben, sondern zuerst nach seinen Gründen suchen. Dem ist mit Polemik auf Private Hochschulen nicht gedient.