Wenn man sieht, was er geschaf­fen hat, was er hin­ter­las­sen hat“, fährt Bir­die fort, „dann war es viel­leicht doch rich­tig, wie er sich benom­men hat. Wäre es etwa bes­ser gewe­sen, er wäre zu unse­ren Soft­ball­spie­len gekom­men, nur um eines Tages zu ster­ben, ohne je getan zu haben, wor­in er, wie er genau wuss­te, wirk­lich gut war? Das hier ist grös­ser als wir. Grö­ßer als wir alle, Char­lie.“ (S. 264f.)

 

Der Mann ist nicht nur ein­fach Künst­ler, der Mann ist ein Monu­ment. Und er ist Char­lies Vater. Aber nicht nur das: Der Vater führt par­al­lel meh­re­re Bezie­hun­gen, zeugt ins­ge­samt sieb­zehn Kin­der und fühlt sich allein sei­ner Kunst ver­pflich­tet. Char­lie ver­steht das und sucht lebens­lang die Aner­ken­nung des Vaters. Der Ver­such, ihm durch eige­ne Kunst­pro­duk­ti­on sei­ne tie­fe Erge­ben­heit zu bewei­sen, schlägt fehl: Mit einem ein­zi­gen Satz („(…) Kid­do, ein Maler bist du nicht, und wirst auch nie einer wer­den.“) zer­stört der Vater alle Zukunfts­hoff­nun­gen des jun­gen Sohnes.

Und doch kopiert Char­lie spä­ter alle Wer­ke des berühm­ten Vaters vir­tu­os und malt eine ganz neue Serie – Bil­der, für die der Vater auf der gan­zen Welt gefei­ert wird. Ein unbe­kannt geblie­be­ner Künst­ler, der im Schat­ten des Vater-Monu­ments steht. Doch wer ist nun hier der Künst­ler? Der, der malt? Der, der aus­stellt? Der, der gefei­ert wird? Der, der Kunst ver­kauft? Der, der sich selbst als Künst­ler ver­steht? Und über­haupt: Darf ein Künst­ler eigent­lich so ein Ekel sein?

Für Liebhaber*innen von:
#schwie­ri­gen Familienkonstellationen
#Kritiker*innen des Kunstmarkts
#Wahrheitssucher*innen

Tom Rach­man

Die Gesich­ter

dtv Ver­lags­ge­sell­schaft, Mün­chen 2018
ISBN 9783423289696
Gebun­den, 412 Seiten

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