Amateurpornos haben Hochkonjunktur. „Amateur“ gehört weltweit zu den zehn meistgesuchten Schlagwörtern auf pornographischen Internetplattformen. Ihren eigentümlichen Reiz haben Amateurfilme erst nach der Professionalisierung der Pornographie entfaltet – nachdem also ein ganzer Industriezweig für Darsteller*innen und Regisseur*innen Berufs‑, Karriere- oder gar Prominenzmöglichkeiten in Aussicht stellte. Und dieser professionellen Massenproduktion begegnet das Amateurmaterial mit dem Anspruch, echter und authentischer zu sein.

Diese Ambition zur Distinktion verwundert zunächst, hebt sich doch der Pornofilm, egal ob professionellen Ursprungs oder nicht, von Erotika bereits durch seine ‚Echtheit‘ ab: Schliesslich wartet er gegenüber jenen kunstvollen Darstellungen von Sexualität mit Geschlechtsakten auf, die tatsächlich vor der Kamera vollzogen werden. Um diesen Unterschied noch zu unterstreichen, führten Film und Foto in den 1930er-Jahren den sogenannten money shot oder cum shot ein: Seitdem bezeugt meist der Mann die Echtheit des Aktes der Ejakulation ausserhalb des Körpers seiner Geschlechtspartner*innen (Seeßlen 1990). Wenn nicht qua eines exklusiven Anspruchs auf Echtheit in diesem Sinne, inwiefern kann sich der Amateurfilm als das noch authentischere Genre behaupten?
Auf der Suche nach einer Antwort stösst man auf die merkwürdig evasive Natur alles Amateurhaften: Ähnlich einer Fliege entkommt die Kategorie nahezu jedem Versuch, sie zu definieren und studieren. Und denkt man, sie wäre endlich unterm Glas, verändert sie noch rasch ihre Gestalt. Tatsächlich hat sich das, was wir als Amateurpornographie empfinden, innerhalb der letzten Jahre so rasch gewandelt und ausgeweitet, dass selbst ihre Abgrenzung zur professionellen Pornographie durchlässig geworden ist. Aus diesem Grunde treffen wir am Ende dieser Suche auf die Frage, ob der Amateur der Pornographie nicht längst verloren ging und nur noch in der Kategorie des Hobbys zu finden ist.
Amateur-Ästhetik 1.0
Nach seiner allgemeinen und vagen Definition ist ein Amateur jemand, der einer Tätigkeit aus Leidenschaft nachgeht. In den ersten Lexika-Einträgen findet sich allerdings schon die Einschränkung, dass die Liebhaberei Dingen und nicht etwa Personen gilt. Daher wird die Figur des Amateurs im Kontext von spezialisierten Tätigkeits- bzw. Dingbereichen thematisiert, wobei Fragen der Inklusion im Mittelpunkt stehen: Unter welchen Bedingungen dürfen welche Personen an spezialisierten Feldern partizipieren? Zeitgenössisch grenzen sich Amateure stets von Professionellen ab. Wie jedoch der relevante Unterschied fixiert wird, ob anhand von Formalia, Entlohnung oder Praxisstandards, hängt stets vom jeweiligen Bereich ab.


In der Pornographie geniesst der Amateurismus eine wunderliche Stellung, da er einerseits für ein ästhetisches Genre, andererseits für den Status einer Person steht. Ästhetisch gilt eine pornographische Inszenierung dann als amateurhaft, wenn sie sich in Abgrenzung zu professionellen Darstellungsweisen konstituiert – mit dem Anspruch, eine zweckfreie Leidenschaft zur Geltung zu bringen (Lehman 2007). Die Freiheit von kommerziellen Zwecken ist zunächst die Währung von Amateurfilmen: Da letztere nicht vorgebucht und kaum orchestriert, schlecht ausgeleuchtet und kaum geschnitten sind, darüber hinaus den klebrigen Küchenboden gegenüber glitzernden Pooldecks bevorzugen, weisen sie auf einen selbstgenügsamen, passionierten, ja spontanen Lustanfall hin, der auch ohne Kamera hätte stattfinden können. Interessanterweise kommt der Kamera in Amateurpornos eine viel höhere Präsenz als in professionellen Produktionen zu. Aufgrund ihrer Aufdringlichkeit, die sich durch abruptes Zurechtrücken, ungewöhnliche Immobilität oder unmotiviertes Ein- und Ausschalten bemerkbar macht, wähnt sich das Publikum hinter den Kulissen, während ihm diese immersive Erfahrung bei professionellen Filmen verwehrt bleibt. Auf visueller Ebene geht es also auch darum, das Publikum am Geschehen partizipieren zu lassen.

Neben der Produktionsweise drückt sich der Amateurporno besonders durch die Wahl ‚alternativer‘ Körper aus: Statt den uniform makellosen, operierten und bronzenen bodies der Porn-Valley-Stars der 1990er-Jahre kommen ungeschminkte, unrasierte und naturbelassene Körper zum Einsatz. Vor allem aber setzt der Amateurstreifen auf die Inklusion alternativer Identitäten wie Dykes, Queers, Shemales u.v.m.. Das macht ihn nicht nur für ein Publikum attraktiv, das sich ob den heteronormalen Repräsentationsformen des professionellen Pornos gelangweilt oder frustriert abgewandt hat. Auch feministisch und kulturkritisch inspirierte Wissenschaftsdiskurse entdecken das Demokratisierungspotential des Amateurhaften für sich (u.a. Jacobs et al., 2007; McGlotten 2014; Paasoonen 2010). Sie deuten und feiern den Do-it-yourself-Streifen als kunstvolle Selbstdarstellung und leidenschaftliche Emanzipation. Mehr noch: Sie machen in ihm eine subversive Form aus, die sich nicht gegen Pornographie an sich, sondern gegen ihre hegemoniale und industrielle malestream-Variante wendet.
Die Imitation der Amateur-Ästhetik
So grundlegend die Abgrenzung vom Professionellen für das Amateurgenre en gros ist, so kompliziert fällt die Unterscheidung en détail aus. Bereits auf der visuellen Ebene erweist sich die Ästhetik des Amateurpornos als hochgradig imitationsanfällig. Denn wer Authentizität kapitalisiert, handelt sich den Fälschungsverdacht mit ein. Schon vor dem digitalen Amateurporno entdeckte die Industrie die Amateur-Ästhetik für sich, die aufgrund der home-video-Technologie Mitte der 1980er-Jahre erstmals boomte. Der sogenannte shamateurism, das Fingieren amateurialer Charakteristika, kennt in der Pornographie viele Varianten. Sie reichen von der Kuratierung von Heimvideos durch professionelle Studios über die Aneignung von Indie-Ästhetik bis hin zum professionellen Filmdreh mit Amateuren.
Wer Authentizität kapitalisiert, handelt sich den Fälschungsverdacht mit ein.

Diese Imitationen führen regelmässig zu ästhetischen Verunsicherungen, die in immer neue Versuche der Vergewisserung münden. Wo visuelle Indizien im Film selbst nicht mehr ausreichen, wird nach Hinweisen gesucht, die den Amateur-Status der Produktion, mindestens aber jener der Darsteller*innen beweisen. Für die Konsument*in ist dies kein leichtes Unterfangen, da die Digitalisierung nicht nur einen Exzess an Pornofilmen, sondern auch an neuen Orientierungsmöglichkeiten mit sich brachte. Der digitale Umbau der Pornobranche macht auch die klassische Kanonisierung obsolet, die in Form von Stars, Produktionshäusern, Fernsehsendern oder Verleihbibliotheken noch Selektionshilfe bot.
Der Großteil des heutigen Pornographie-Konsums findet auf sogenannten Tube-Seiten wie xvideos, xhamster oder pornhub statt, wobei xvideos allein mehr als sieben Millionen Videos beherbergt (Stand: April 2017). Auf diesen Plattformen leiten einerseits Kategorien die Suche an, andererseits helfen benutzerspezifische Algorithmen bei der Orientierung („Kunden, die dieses Video gesehen haben, sahen auch …“).
Tube-Seiten | Weltweite Platzierung gemäss Datenverkehr* |
---|---|
pornhub.com | 44 |
xhamster.com | 79 |
xvideos.com | 83 |
xnxx.com | 214 |
redtube.com | 219 |
*erhoben mit Alexa.com (18. April 2017) |

Pornhub
Die Kategorien dieser Tube-Seiten bieten der Soziologin einen Einblick in Tendenzen und Varietäten der pornographischen Sehkultur – und damit in die Ver(un-)sicherungsstrategien des Amateurhaften. So führt das Tube-Netzwerk Pornhub nebst der Leitunterscheidung „professionell/ selbst gemacht“, auch die Kategorie „Amateure“, die in erster Linie als ästhetisches Genre verstanden wird. Den entsprechenden Status erhalten die Filme anhand ihrer visuellen Qualität. Allerdings scheint die Ästhetik ein zu schwacher Garant dafür zu sein, weshalb die Seite die Zusatzkategorie „Verifizierte Amateure“ führt. Sie enthält das Versprechen, dass Pornhub die Darsteller*innen „verifiziert“ und damit die notwendige Vergewisserungsarbeit zum Status der Amateur*innen über die Ästhetik hinaus leistet. In ihrer Beschreibung der Kategorie offenbart die Plattform zugleich ihr Verständnis von „amateur“: „We verify these amateurs are not only legal but not professional pornstars, well at least not yet“ (Hervorhebung D.W.). Weil das Bewertungsregime der Seite „Professionelle“ als Darsteller*innen ausgibt, die den Pornstar-Status mithilfe des Popularität-Rankings der Plattform erreicht haben, gelten Amateure als Novizen.
Wer noch weiter in die unsichere Welt der Amateurpornographie eintauchen will, dem helfen insgesamt 59 Auszeichnungen weiter, die Pornhub anhand des Aktivitätsfortschritts einer Darstellerin oder eines Darstellers vergibt, darunter „Newcomer of the Month“, „Amateur of the Year“ oder „8 year account“. Selbst wer sich nicht ins Szene setzt, aber rege kommentiert oder fleissig Playlisten erstellt, erhält ebenfalls eine Würdigung: „The Tolstoy“ oder „The Curator“.

Amateur-Ästhetik 2.0
Gegenüber der illusorischen „Fantasie des Amateurismus“ im digitalen Zeitalter zeigt sich jüngst auch die wissenschaftliche Beobachtung sensibel (Ruberg 2016). Einerseits will man sich angesichts der ästhetischen Diversität auf Tube-Seiten nicht mehr auf visuelle Indizien zur Begründung eines kritischen Verständnisses des Amateurhaften verlassen. Andererseits zögert man immer mehr, den Niedergang der klassischen Pornoindustrie als Triumphzug einer (ethisch höherwertigen) Amateurisierung zu feiern. Folgerichtig charakterisiert der wissenschaftliche Diskurs den zeitgenössischen Amateurporno jenseits von ästhetisch eindeutigen Kriterien und binären Unterscheidungen verstärkt anhand seiner „fuzzy logic“ und „blurring boundaries“. In diesem Sinne heben Studien kritisch hervor, dass auch der Amateurporno vom männlichen Blick nicht verschont ist (Van Doorn 2010), dass alternative Plattformen ebenso nach kommerzieller Logik operieren (Attwood 2007) oder dass die Amateur-Existenz genauso harte Arbeit involviert (Ruberg 2016).
Es geht also nicht mehr um Sex, sondern um die Rettung der Wälder, um Geschmackskultur, politischen Aktivismus oder Tätowierungen.
Als neue Kriterien für Amateurismus werden Aspekte diskutiert, die über den Geschlechtsakt hinausweisen und Formen der Vergemeinschaftung in Blick nehmen (Attwood 2007; Jacobs et al. 2010, Paasoonen 2010). Diesbezüglich werden einerseits Formen des Austauschs geltend gemacht, die das Publikum noch mehr einbeziehen und so Gemeinschaften von Prosumenten bilden, denen primär eine identitätsstiftende Funktion zukommt. Andererseits stehen Kriterien zur Debatte, die den Grund der Vergemeinschaftung in Blick nehmen: Es geht also nicht mehr um Sex, sondern um die Rettung der Wälder, um Geschmackskultur, politischen Aktivismus oder Tätowierungen.
Fuck for Forest ist eine Gruppe von Umweltaktivisten, die aus Einnahmen ihrer gleichnamigen Webseite mit pornographischen Amateuraufnahmen nach eigenen Angaben Umweltschutzprojekte finanziert (Quelle: Wikipedia)
Möglicherweise lässt sich mit dieser Perspektive auf periphere Nischen das Amateurhafte retten, nur: Die Pornographie geht dabei verloren. Denn Wälder lassen sich auch ohne die Aufzeichnung des darin stattfindenden Sexualverkehrs retten.
Die Auflösung der Unterscheidung amateur/ professionell
Wie die markante Abgrenzung vom Professionellen den Aufstieg des Amateurs befeuert hat, zeugt nun die Verunsicherung um den Status des Amateurs vom Konturverlust seiner Kontrastfigur. In einer Produktionslandschaft, die vom Überfluss an Bild- und Videomaterial und der Knappheit von Aufmerksamkeit geprägt ist, kann ein Kategoriensystem – stamme es aus der Wissenschaft oder der Branche selbst – nur scheinbar darüber hinweg täuschen, dass inzwischen alle in diesem Konkurrenzkampf dilettieren. Die Aufweichung des Professionellen treiben nicht zuletzt die Tech-Firmen voran, die mit nur wenig Interesse an der Pornokultur die lukrative IT-Infrastruktur bereitstellen und besitzen. Diese sind ästhetisch zwar keineswegs hegemonial, strukturell aber umso mehr. Pornhubs Betreiber MindGeek etwa bewirtschaftet ein bunt gemischtes Pornoportfolio, zu dem neben Studios, Profi- genauso wie Amateurseiten gehören. Insofern aber diese Firmen mit der Partizipation tausender Menschen ähnlich wie Amazon oder Airbnb ihr Geschäft machen, fördern diese ‚Arbeitgeber‘ ironischerweise den Amateur: Denn sie werben mit einer anti-professionellen Befreiungsrhetorik für die Teilnahme an ihrem „Amateur-Rekrutierungsprogramm“, animieren zum direkten Kontakt mit den Kunden etwa innerhalb der „Pornhub-Community“ und setzen sich für Diversität und die Besetzung von Nischen ein.
Jenseits aller Unterscheidungen: Das Hobby
In keiner anderen Sphäre ist der Amateurismus so sichtbar wie in der Pornographie, und sein Status ist hier durchaus spezifisch. Allerdings kommt man meines Erachtens seiner Spezifik nicht über Ästhetik, verschiedene Statusaspekte oder einer „fuzzy logic“ bei. Wenn, dann über seine professionelle Gegenseite, gegenüber der sich das Genre Amateur fortwährend abgrenzt.
Denn bei aller Rede über die Professionalisierung der Pornosphäre sind vielerlei Funktionen, die Professionen qua Berufe zur Arbeitsorganisation mit sich bringen, hier nicht institutionalisiert. Dazu zählen etwa Instrumente der kollektiven Kontrolle über Produktrechte und Produktionsbedingungen. Oder die Bildung und Verteidigung einer professionellen Zuständigkeit sowie eines Selbstverständnisses über Assoziationen – eine Angliederung der Pornodarstellerinnen an die Schauspielergilde wurde mehrmals verweigert. In ihren vielfältigen Zeugnissen beschreiben professionelle Pornodarstellerinnen ihr Selbst-Unternehmertum, das zwar Freiheiten gewähre, aber jeden korporativen Schutz entbehre (Berg 2016). Aus dieser Perspektive erscheint der Triumphzug der Amateure eher notwendig denn triumphal. Diese prekären Arbeitsbedingungen sind möglicherweise das Ergebnis kulturell verankerter Beschränkungen, Sexarbeit überhaupt als Arbeit anzusehen (Nussbaum 1996). Darüber hinaus bietet Pornographie keine langfristigen Karrieremöglichkeiten – mit dem Effekt, dass die hohe Fluktuation zum amateurialen Zustand der Pornographie wesentlich beiträgt. Laut jüngsten Umfragen wächst der Rekrutierungspool ständig an, während die Karrieren immer kürzer werden (Tarrant 2016).
So bleibt die Frage, ob künftige Indizien es nahelegen, die Suche nach dem Amateur und den Gegensatz amateurial/professionell in der Pornographie ad acta zu legen und die Tätigkeit vollends in die Kategorie des Hobbyismus zu verschieben. Für den Kategorien-Wechsel spräche, dass der Hobbyismus – im Gegensatz zu einer Tätigkeit aus Passion – ähnlich charakterisiert ist wie der zeitgenössische Pornofilm: Quick and dirty.
Für den Kategorien-Wechsel spräche, dass der Hobbyismus ähnlich charakterisiert ist wie der zeitgenössische Pornofilm: Quick and dirty.
Literatur
Attwood, Feona. 2007. “No money shot? Commerce, pornography and new sex taste cultures”. Sexualities, 10.
Berg, Heather. 2016. “A scene is just a marketing tool: Alternative income streams in porn’s gig economy”. Porn Studies, 3.
Jacobs, Katrien, Marije Janssen und Matteo Pasquinelli. 2007. “Introduction”. In C’lickme: a netporn studies reader 1 –3. Amsterdam: Institute of Network Cultures.
Lehman, Peter. 2007. “You and voyeurweb: illustrating the shifting representation of the penis in the internet with user-generated content”. Cinema Journal 46.
McGlotten, Shaka. 2014. Virtual Intimacies: Media, Affect, and Queer Sociality. Albany: State University of New York Press.
Nussbaum, Martha. 1998. “„Whether from reason or prejudice“: taking money for bodily services”. Journal of Legal Studies 27.
Paasonen, Susanna. 2010. “Labors of love: Netporn, web 2.0 and the meanings of amateurism”. New Media & Society, 12.
Ruberg, Bonnie. 2016. “Doing it for free: Digital labour and the fantasy of amateur online pornography”. Porn Studies 3.
Seeßlen, Georg. 1990. Der pornographische Film.
Tarrant, Shira. 2016. The pornography industry : what everyone needs to know. New York: Oxford University Press.
Van Doorn, Niels. 2010. “Keeping it real. User-generated pornography, gender reification, and visual pleasure”. Convergence 16.
Bildnachweis
Titelbild von Blake Kathryn.
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Désirée Waibel
Désirée Waibel ist Soziologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am SOCIUM – Forschungszentrum für Ungleichheit und Sozialpolitik der Universität Bremen sowie an der FernUni Schweiz. In Ihrer Doktorarbeit forscht sie über den zeitgenössischen Amateurismus und zur Soziologie der Expertise. Für ihre Forschungen hat sie ein Stipendium des Schweizerischen Nationalfonds erhalten.
Der Artikel trifft es genau! Echtheit wird heute geradezu sakralisiert. Ob im Vorstellungsgespräch, als Führungsperson, Familienvater, in Liebesbeziehungen und Freundschaften, ob als Sportfan, Künstlerin oder Politikerin – stets geht es darum „echt“ zu sein, authentisch, natürlich, einfach so zu sein, wie man halt ist und bloss nicht: sich verstellen. Dabei ist doch gerade das Spiel, das Als-Ob, der (schöne) Schein, Fantasie und die Maskerade, was die menschliche Kultur ausmacht!
Ein sehr guter und informativer Artikel mit einer tollen These. Aber an dieser Stelle frage ich mich dennoch, ob das Amateurhafte nicht ein wenig zu tendenziös dargestellt wird. Denn neben allen Möglichkeiten, in dieser Kategorie die Heteronormativität zu unterlaufen, scheint es mir doch auch die genau gegenteilige Tendenz zu geben. Dies zeigt sich unter anderem an den unten angeführten „Fake Agent“-Filmen: Diese (Fake-)Amateurfilme berauschen sich noch stärker als der professionelle Porno an der (wenn auch im besten Fall nur behaupteten) Ausbeutung der Darsteller_innen. So wird häufig mit tiefstimmiger Jovialität gerade die Dummheit oder Minderwertigkeit der sich ausbeutern lassenden Amateurinnen betont („Schau mal, die will Pornostar werden. Denkste, Kleines“). In dieser Hinsicht scheint mir die Kategorie „Amateur“ ganz und gar nicht postitiv zu wirken.
Merci!
In der Tat ist die Darstellung tendenziös. Sie basiert auf den Texten aus dem Kreise der Porn Studies, die zur Zeit wissenschaftliches Sprachrohr dafür sind und deren Lektüre mir die Idee zum Text gab. Dieser dezidiert normative und positive Theoretisierung des Themas war wohl ein wichtiger Anstoss, um den Diskurs auf den Weg zu bringen. Es ist auch nicht so, dass dies nicht reflektiert würde; problematisch scheint mir eher, dass die Beobachtungsausschnitte zu selektiv sind (etwa ist es aufällig, dass wenige der Texte die grossen Plattformen, sondern eben eher fair-porn communities etc. fokussieren). Meines Erachtens wäre es dringend nötig, die sozial-strukturellen Umbauten des Vertriebs stärker in den Blick zu nehmen und dann eben auch mit den von Ihnen beschriebenen Konnotationen der Amateurinnen sich auseinander zu setzen. Es erscheint mir kein gutes Zeichen, dass dahingehend die Beobachtungen aus dem Kreise des Dokutainments gar voraus sind (etwa „Hot Girls Wanted“). Hier hat man mit den „Denkste, Kleines“-Beschreibungen keine Mühe – und: diese Filme tauchen in den Journal Artikeln und Büchern des Verlages Oxford oft als Informationsquelle auf.
Das verstehe ich nicht ganz. Wer ein Hobby ausübt – ist er nicht sowieso ein Amateur? Also angenommen, ein Hobby ist eine Freizeitbeschäftigung, die freiwillig und regelmässig ausgeübt wird und dem eigenen Selbstbild und der Entspannung dient. Doch ok, nicht jeder Amateur macht seine Leidenschaft zum Hobby. Also ist der Porno-Amateur ein irgendwie dilletierender Profi? Und nur der Hobby-Pornograph der ‚echte‘ Amateur?
Für mich etwas kompliziert und voraussetzungsreich formuliert. Verstehe ich etwa so: Zum einen kann ich einen Amateur-Porno nicht einfach daran erkennen, dass er ’schlecht gemacht‘ ist. Zum anderen kann ich nicht gut finden, dass die klassische Pornoindustrie aufgrund der Amateur-Porno-Konkurrenz defizitär wird. Und zwar weil die Amateur-Pornographie in Sachen Produktionsbedingungen etc. kein bisschen besser sein muss als die klassische Pornoindustrie.
Das heisst für die Spezifik des Genres: Da auch professionelle Pornographie in Sachen Arbeits- und Bildrechte dilettiert – und überdies Ästhetik wie Inhalte der Porno-Amateure übernimmt, fällt die Unterscheidung zwischen Amateur und Profi flach???