Ich tref­fe mich mit Jake in einem Café in Zagreb. Mit sei­nem Start­up Michel­an­ge­lo Labs hat Jake die welt­weit ers­te Aus­stel­lung von NFT-Skulp­tu­ren realisiert …

Aida Ala­gić Ban­dov: Was macht Michel­an­ge­lo Labs?

Jake Stje­pa­no­vic: Michel­an­ge­lo Labs ist ein Kunst-Start­up, das digi­ta­le NFT-Bil­der in greif­ba­re Skulp­tu­ren ver­wan­delt. Das Unter­neh­men besteht aus über 15 Künstler*innen, Bildhauer*innen und 3D-Druckexpert*innen. Hin­zu kom­men ein Com­mu­ni­ty-Manage­ment und ein PR-Team unter mei­ner Leitung.

AAB: Kannst Du uns NFT-Kunst näher bringen?

Jake Stjepanovic, Gründer von <em>Michelangelo Labs</em>
Jake Stje­pa­no­vic, Grün­der von Michel­an­ge­lo Labs

JS: NFT steht für eine nicht aus­tausch­ba­re Wert­mar­ke (engl. non-fun­gi­ble token). Die­se ent­spricht einem Daten­satz in einer lan­gen Ket­te von Daten­sät­zen, der soge­nann­ten Block­chain. Um selbst ein Kunst­werk einer Block­chain wie Ethe­re­um hin­zu­zu­fü­gen, braucht’s kaum mehr, als das digi­ta­le Bild mit ein paar Anga­ben in ein Ver­zeich­nis hoch­zu­la­den. Nichts Spek­ta­ku­lä­res. Doch da jede Infor­ma­ti­on auf der Block­chain öffent­lich ist, kön­nen alle nach­se­hen, wer, wann und wo ein NFT geprägt hat. Aus mei­ner Sicht stellt die Tech­no­lo­gie einen viel­ver­spre­chen­den Weg dar, Künstler*innen und Publi­kum im 21. Jahr­hun­dert neu mit­ein­an­der zu ver­bin­den – digi­tal und direkt.

NFTs des Bored Ape Yacht Club auf dem NFT-Marktplatz OpenSea (Screenshot).
NFTs des Bored Ape Yacht Club auf dem NFT-Markt­platz Open­Sea (Screen­shot).

AAB: Inwie­fern defi­nie­ren NFTs Begrif­fe wie Ori­gi­nal oder Urheber*in neu?

JS: Bis­lang haben digi­ta­le Wer­ke unter dem Pro­blem des end­lo­sen Mul­ti­pli­zie­rens gelit­ten: Der Unter­schied zwi­schen Ori­gi­nal und Kopie wur­de hin­fäl­lig. Genau das ändert die Block­chain-Tech­no­lo­gie. Man kann es sich das so vor­stel­len: Wenn bei Dir zuhau­se ein Pos­ter der Mona Lisa hängt, schön. Doch damit besitzt Du noch kei­nen ech­ten Da Vin­ci und schon gar nicht das Recht, die Kopie als Ori­gi­nal zu ver­kau­fen. NFTs stel­len die­se Ord­nung in der digi­ta­len Welt wie­der her, indem sie ein Werk als echt zer­ti­fi­zie­ren. Das klappt übri­gens auch für älte­re, phy­sisch greif­ba­re Kunst­wer­ke. Besitzer*innen etwa kön­nen die­se als NFTs prä­gen. Die Ere­mi­ta­ge in St. Peters­burg etwa stell­te NFTs von Kan­din­skys, Da Vin­cis, Monets oder Van Goghs her – von Wer­ken also, die das Muse­um bereits besitzt.

Aus NFTs werden Skulpturen (© Michelangelo Labs)
Aus NFTs wer­den Skulp­tu­ren (© Michel­an­ge­lo Labs)

AAB: Michel­an­ge­lo Labs prä­sen­tier­te neu­lich ers­te NFT-Skulp­tu­ren in einer Zagre­ber Galerie.

JS: Bei der Grün­dung von Michel­an­ge­lo Labs ging es mir dar­um, etwas Neu­es und Auf­re­gen­des im NFT-Bereich zu schaf­fen. Mich fas­zi­nier­te die Idee, dass Besitzer*innen und Künstler*innen ihre digi­ta­len Wer­ke in drei­di­men­sio­na­ler Form sehen, anfas­sen und in Räu­men aus­stel­len kön­nen. Mit der Gale­rie Lau­ba als Part­ne­rin ent­stand die ers­te Aus­stel­lung von NFT-Skulp­tu­ren weltweit.

AAB: Habt ihr Euch bei der Aus­wahl von NFTs an einem Kanon orientiert?

JS: Die ers­ten drei Skulp­tu­ren schu­fen wir für ein­fluss­rei­che Mit­glie­der der NFT-Com­mu­ni­ty, dar­un­ter Cozo­mo de‘ Medi­ci. Eben­falls spie­len die NFT-Samm­lun­gen des Bored Ape Yacht Club, von Cyber­konz und Cryp­toadz eine wich­ti­ge Rol­le. Tat­säch­lich ent­steht der­zeit so etwas wie ein Kanon. Dane­ben aber gibt viel Raum, Geld und Ideen – etwa für neue, NFT-spe­zi­fi­sche For­men der Visualität.

AAB: Wem gehö­ren nun die Skulpturen?

JS: Eigentümer*innen von NFTs besit­zen fast alle Rech­te an ihren Wer­ken. Des­halb gehö­ren auch die von uns gefer­tig­ten Skulp­tu­ren wei­ter­hin den Inhaber*innen.

AAB: Wor­auf basiert der Wert von NFT-Kunst­wer­ken? Und der der Skulpturen?

JS: Der Wert von NFTs bemisst sich an ähn­li­chen Kri­te­ri­en wie der von klas­si­schen Kunst­wer­ken. Aller­dings ist der Markt viel vola­ti­ler, da er nicht vom Dol­lar oder Fran­ken, son­dern vom Kryp­to­markt abhän­gig ist. Mit unse­ren Skulp­tu­ren jeden­falls wer­ten wir den zugrun­de­lie­gen­den NFT auf. In ihn inves­tie­ren wir bis zu 300 Stun­den Arbeit, um ihm eine räum­li­che Prä­senz zu ver­schaf­fen. Wir model­lie­ren ihn zunächst im Com­pu­ter zu einer 3D-Figur, dann dru­cken wir ihn und bear­bei­ten ihn manu­ell auf­wän­dig nach.

3D-Modell eines NFTs von Cozomo de’ Medici
3D-Modell eines NFTs von Cozo­mo de’ Medici

AAB: Wel­che Zie­le ver­folgt Euer Startup?

JS: Michel­an­ge­lo Labs will die Inter­net­kul­tur, in der wir leben, greif­bar machen. Genau­so wie Maler*innen sich frü­her von Still­le­ben oder dem mensch­li­chen Kör­per inspi­rie­ren lie­ßen, möch­ten wir Digi­ta­les zur Vor­la­ge neh­men und es in die Rea­li­tät umset­zen. Wäh­rend jene drei­di­men­sio­na­le Objek­te zu zwei­di­men­sio­na­len Bil­dern mach­ten, machen wir aus zwei­di­men­sio­na­len Pixeln drei­di­men­sio­na­le Skulp­tu­ren. Das ist unser Bei­trag zu die­ser neu­en Renais­sance, die dank NFTs zu blü­hen beginnt. Und ja, mit unse­rer NFT-Skulp­tu­ren­samm­lung wol­len wir in die Geschich­te ein­ge­hen und sie in Gale­rien welt­weit aus­stel­len. Damit brin­gen wir The­men wie NFT und Kryp­to auch Men­schen näher, die in der digi­ta­len Welt einen wei­ten Bogen dar­um machen.

AAB: Das Ziel von Kryp­to­wäh­run­gen ist ja, Insti­tu­tio­nen wie Ban­ken zu umge­hen. In der bil­den­den Kunst hin­ge­gen sind es Muse­en, Gale­rien und Auk­ti­ons­häu­ser, die den Wert von Kunst bestim­men. Kom­men NFTs ganz ohne Insti­tu­tio­nen aus?

JS: Ein gewis­ses Maß an Insti­tu­tio­na­li­tät ist dem NFT-Bereich zuträg­lich. Mei­ner Mei­nung nach sind Kunstritiker*innen, Kurator*innen und Gale­rien wei­ter­hin nötig. Grund­sätz­lich eröff­nen Kryp­to und NFT aber den Weg zu einem neu­en Inter­net, in dem Men­schen direkt mit­ein­an­der ver­bun­den sind und unmit­tel­bar von den Wer­ten des Net­zes pro­fi­tie­ren – ohne Ban­ken, ohne Face­book und ohne Goog­le. Doch für die­ses Netz müs­sen wir kämp­fen, ansons­ten bekom­men wir erneut die Shop­ping Mall von heute.

AAB: Medi­en berich­ten ger­ne von Min­der­jäh­ri­gen, die mit NFTs sagen­haf­te Gewin­ne erwirt­schaf­ten, oder von Künstler*innen, die von heu­te auf mor­gen immensen Ruhm erlan­gen. Ist hier eine Demo­kra­ti­sie­rung der Kunst im Gan­ge, in der neue Akteu­re das Feld betre­ten und sich neue Publi­ka bilden?

JS: Sei­en wir ehr­lich, die meis­ten Men­schen zieht es zu NFTs, weil sie sich schnel­le Gewin­ne ver­spre­chen. Unab­hän­gig davon öff­net sich mit der Block­chain-Tech­no­lo­gie ein gänz­lich neu­er Raum, der in fünf bis zehn Jah­ren die Welt ver­än­dern wird. Schon jetzt defi­nie­ren NFTs neu, was eine Kunstproduzent*in, was eine ‑konsument*in ist. Vor allem aber stel­len sie einen viel­spre­chen­den Weg dar, wie in einer digi­ta­len Welt Künstler*innen mit ihrem Publi­kum direkt inter­agie­ren kön­nen. Kryp­to stif­tet hier neu­es Ver­trau­en: Die Tech­no­lo­gie sichert Eigen­tum und Urhe­ber­schaft ohne gro­ße Insti­tu­tio­nen. Jeder wird zu sei­ner eige­nen Bank. Wir müs­sen ler­nen, damit vor­sich­tig und ver­ant­wor­tungs­be­wusst umzugehen.

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